Eine der grössten Veränderungen in der NPO-Welt der letzte zwei Jahrzehnte ist der Wechsel von «jeder bearbeitet sein Gärtchen» zu «ohne Kooperation erreichen wir unsere Ziele nicht». Nach der Proklamation der Sustainable Developement Goals (SDG 2030) im Jahr 2015 hat diese Bewegung noch einmal Fahrt aufgenommen, erst vor allem in der internationalen Zusammenarbeit, aber inzwischen auch in der Arbeit hier im Land. Keine NPO kann noch ernsthaft behaupten, irgendein gesellschaftliches Problem im Alleingang zu bewältigen und auch auf Seiten der Förderer wird klar, dass Förderung nicht mehr punktuell, sondern mit dem Blick aufs Ganze geschehen muss. Plötzlich hat ein Schlagwort wieder Hochkonjunktur, das man in den 90er-Jahren in der sozialen Arbeit ständig gehört hat: «systemisches Denken».
Das Ende der USP-Strategien
Natürlich bleibt es wichtig, dass eine NPO sagen kann, worin sie besonders gut ist. Aber die Herausarbeitung einzigartiger USP als nachhaltige Organisationsstrategie macht in einer Welt, die gemeinsam gesellschaftliche Veränderungen erreichen will, keinen Sinn mehr. In einer ganzheitlichen Betrachtung (…sozusagen systemisch) ist dies nicht einmal brauchbar für eine Fundraisingstrategie. Selbstverständlich können weiterhin 20 Kinderorganisationen parallel behaupten, dass gerade sie die Besten seien im «arme Kinder retten» rund um den Globus, aber möglicherweise geht auch dem mitfühlenden Einzelspender mit der Zeit auf, dass etwas falsch sein muss an dieser Grundidee der «besten NPO von allen».
Greifbare Konsequenzen für die Arbeit
Was sich vielleicht als graduelle Veränderung anhört, hat weitreichende Folgen für die Arbeit. Und zwar für beiden Seiten der NPO-Welt, die Umsetzer und die Förderer.
Die Wirkungsziele einer NPO oder einer Förderstiftung suchen nicht nach Einzigartigkeit, sondern betont die Anschlussfähigkeit an laufende Programme und Erkenntnisse, an denen andere auch schon arbeiten.
Die Konzeptausarbeitung von Projekten bezieht Partner mit in die Überlegungen ein und koordiniert optimalerweise schon auf strategischer Ebene die Zielsetzungen.
Förderer benötigen ein Verständnis für Gesamtzusammenhänge, nicht nur für die Inhalte eines einzelnen Projekts.
Auch Wirkungsmessung muss systemisch angelegt werden und ist nicht nur die Addition von Einzelergebnissen aus den Teilprojekten.
Advocacy-Arbeit wird als gemeinsame Aufgabe verstanden, nicht als Branding-Strategie einer Organisation.
Kooperation auch bei Wissen und Erfahrung
Kooperatives Arbeiten bezieht sich auch auf den Zugang zu Wissen und Erfahrung. Die Digitalisierung bringt hier traumhafte Chancen, doch im Kern geht es um Menschen, die bereit sind, ihre Erfahrungen und ihr Können mit andern zu teilen, oder - auf der Seite einer positiven Fehlerkultur - ehrlich über Misserfolge zu berichten und gemeinsam herauszuarbeiten, was man beim nächsten Mal anders machen sollte.
Beides hat sich die >NPO SkillShare-Initiative, die 2018 vom Center for Philanthropy Studies CEPS an der Universität Basel gestartet wurde, zum Ziel gesetzt. Auf der einen Seite initiiert sie informelle Austauschkreise von Mitarbeitenden aus NPO. Erste Kreise wurden 2019 in Basel gestartet, konnte aber während Covid nicht weiter vorangetrieben werden.
Auf der anderen Seite sind kleine Tagungen geplant, die vor allem das Thema des Scheiterns aufnehmen, um daraus möglichst viele Erkenntnisse für die eigene Arbeit zu gewinnen.
Neue Austauschkreise in Bern und Zürich
Viele Anfragen für Vernetzung kamen aus Bern und Zürich. Deshalb organisieren wir Anfang April zwei KickOff-Treffen für Interessierte, am Dienstag, 5. April im PROGR in Bern und am Mittwoch, 13. April im Glockenhof in Zürich, jeweils von 18 bis 19.30 Uhr. Hier gibt es kein grosses Programm, alles ist auf das Vernetzen von NPO-Leuten ausgerichtet - also mehr oder weniger ein NPO-Dating-Event. Anmelden können Sie sich >hier.
Für uns ein erster Höhepunkt: die erste «Fehler-Teilete»
Im Dezember mussten wir sie noch kurzfristig verschieben, doch nun findet sie statt: die erste «Fehler-Teilete» der NPO SkillShare-Initiative. Am Dienstag, 22. März 2022 diskutieren wir für einen Halbtag nur über Entwicklungen, die nicht das erfüllt haben, was man erwartet oder erhofft hat, und versuchen herauszufinden, was schief gegangen ist. Die «Fälle» werden entweder von den Teilnehmenden präsentiert oder von uns als Organisatoren anonymisiert aufgearbeitet und vorgestellt. Wir sind unglaublich gespannt und freuen uns, wenn ihr dabei seid – anmelden können Sie sich >hier.
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